Urheberrecht an Landkarten
Vorbemerkung
Das Urheberrecht ist geregelt im Gesetz über Urheberrecht und verwandte
Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz oder UrhG) vom 9. September 1965.
Den Schutz des UrhG genießen gem. Par 1 die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst.
Zu den geschützten Werken gehören gem. Par 2 insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie
Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische
Darstellungen.
Werke i. S. des Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen. Der
Urheber ist immer ein Mensch. Juristische Personen, Tiere und Maschinen
(auch Computer) können keine schöpferischen Leistungen im Sinne des
UrhG vollbringen. Das UrhG sieht aber darüber hinaus mit den verwandten
Schutzrechten im zweiten Teil des Gesetzes auch einen Schutz für
Leistungen vor, die keine persönlichen geistigen Schöpfungen sind (s.
u.).
Die Benennung der Bereiche Literatur, Wissenschaft und Kunst im Par 1
ist abschließend, nicht dagegen die Auflistung in Par 2. Soweit sie
sich den Bereichen Literatur, Wissenschaft und Kunst zuordnen lassen,
können auch in Par 2 nicht genannte Werke urheberechtlichen Schutz
genießen. Ungeschützt bleiben dagegen Erzeugnisse, die nicht in den
Schutzbereich des Par 1 fallen und für die es kein verwandtes
Schutzrecht gibt. Dies sind z. B. normale handwerkliche Erzeugnisse,
Kochrezepte, Spielregeln und sportliche Leistungen. Auch
wissenschaftliche Theorien (z. B. die Relativitätstheorie) sind anders
als wissenschaftliche oder technische Darstellungen (Pläne, Karten,
Skizzen, Tabellen u. dergl.) keine Werke im Sinne des Gesetzes. Und
obwohl, wie jeder weiß, hier die schöpferische Leistung besonders hoch
einzuschätzen ist, genießen auch amtliche Werke (Gesetze, Verordnungen,
Erlasse u. dergl.) keinen urheberrechtlichen Schutz.
Davon unabhängig wird urheberrechtlicher Schutz von der Rechtsprechung
i. d. R. bereits bei minimalen Schöpfungen anerkannt. So können z. B.
einfache Gebrauchsanweisungen als Sprachwerke geschützt sein.
Das Urheberrecht entsteht mit der Schaffung des Werkes. Es muss anders
als z. B. bestimmte gewerbliche Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster,
Geschmacksmuster) nirgendwo registriert werden. Auch ein am Werk
angebrachter Urheber- oder Copyrightvermerk ist nicht erforderlich,
erleichtert aber den Beweis der Urheberschaft in Streitfällen. Gem. Par
10 UrhG wird, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen
Werkes oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der
üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, bis zum Beweis des
Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen. Die Anwendbarkeit des Par
10 auf Copyrightvermerke auf ins Internet gestellten Werken, wird
allerdings von der herrschenden Meinung abgelehnt, weil es am
Tatbestandsmerkmal der Vervielfältigungsstücke fehlt.
Das Urheberrecht ist als solches nicht übertragbar, wohl aber
vererbbar. Außerdem können Dritten Nutzungsrechte an Werken eingeräumt
werden. So erwirbt zumeist der Arbeitgeber ausdrücklich auf Grund des
Arbeitsvertrags oder stillschweigend die Nutzungsrechte an den Werken
seines Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer aber bleibt der Urheber.
Neben den Urheberpersönlichkeitsrechten hat der Urheber umfassende
Verwertungsrechte, die es ihm ermöglichen, sein Werk in körperlicher
(Vervielfältigung, Verbreitung, Ausstellung) oder unkörperlicher Form
(Vortrag, Aufführung, öffentliche Zugänglichmachung über das Internet
etc.) zu veröffentlichen und zu verwerten.
Daneben gibt es aber auch Schrankenregelung, die der Urheber in Kauf
nehmen muss. So dürfen z. B. Kopien für den privaten und sonstigen
eigenen Gebrauch in begrenztem Umfang hergestellt werden. Zulässig ist
auch die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines
veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, allerdings nur mit
Quellenangabe und nur wenn die Nutzung des zitierten Werks "in ihrem
Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist". Außerdem dürfen
Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen
befinden, von jedem mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch
Lichtbild oder Film vervielfältigt, verbreitet und öffentlich
wiedergegeben werden. Da auch Werke der Architektur geschützt sein
können, ist dies für Street-View-Dienste von besonderer Bedeutung.
Zu den verwandten Schutzrechten, die auch für nicht individuelle Leistungen gelten, zählen
- der Schutz wissenschaftlicher Editionen,
- der Schutz nachgelassener Werke,
- der Schutz der Lichtbilder,
- der Schutz des ausübenden Künstlers,
- der Schutz des Veranstalters,
- der Schutz des Herstellers von Tonträgern,
- der Schutz des Sendeunternehmens und
- der Schutz des Datenbankherstellers.
Bei diesen Rechten ist vor allem die Schutzdauer deutlich geringer als
bei den Werken der Par 1 und 2. Einfache Lichtbilder (z. B.
Röntgenbilder und Luftbilder) sind z. B. 50 Jahre ab Herstellung bzw.
Veröffentlichung geschützt. Bei Werken im Sinne der Par 1 und 2, zu
denen auch die Lichtbildwerke (z. B. künstlerische Fotos, aber auch
individuelle Amateurfotos) gehören, dauert der Schutz noch nach dem Tod
der Urheber 70 Jahre.
Landkarten als Darstellungen wissenschaftlicher, technischer Art
Auch Landkarten und Stadtpläne genießen in der Regel urheberrechtlichen
Schutz, selbst dann, wenn sie nach einer vorgegebenen Zeichenvorschrift
hergestellt wurden.
Die schöpferische Leistung bei der Kartenherstellung besteht im
Wesentlichen in der Generalisierung. Damit ist die auf eine lesbare
Darstellung ausgerichtete maßstabsbedingte Reduzierung des
Karteninhalts gemeint. Eine Karte ist ein verkleinertes Abbild der
Erdoberfläche. Sie kann nicht alle Objekte maßstabsgetreu wiedergeben.
Einzelne Objekte werden bei der Entwurfsgestaltung ausgewählt und
besonders hervorgehoben, andere wiederum aus Platzgründen mit
gleichartigen Objekten zusammengefasst oder von "wichtigeren" Objekten
verdrängt dargestellt. Die Wahl der Farben (z. B. Wald - grün, Gewässer
- blau, Höhenlinien - braun, Straßen - gelb, rot oder weiß etc.) ist
dagegen nicht unbedingt eine schöpferische Leistung im Sinne des
Urheberrechts.
Wer eine Karte ohne Erlaubnis übernimmt und nur einige Farben ändert,
um sie dann als Anfahrtsskizze auf seiner Homepage zu verwenden,
verstößt sehr wahrscheinlich gegen das UrhG. Da ist es besser, sich
beim Vermessungsamt seines Vertrauens ein Luftbild zu besorgen und die
Skizze selbst zu zeichnen.
siehe auch das BGH-Urteil vom 28.05.98 - I ZR 81/96 - Stadtplanwerk http://www.jurpc.de/rechtspr/19990054.htm:
"Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Stadtpläne
und Landkarten als Darstellungen wissenschaftlicher, technischer Art
gemäß Par 2 Abs. l Nr. 7 UrhG Urheberrechtsschutz genießen, wenn es
sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne des Par 2 Abs. 2 UrhG
handelt.
...
Auch eine Karte, die als einzelnes Kartenblatt aufgrund einer
vorbekannten gestalterischen Konzeption erstellt ist, kann
urheberrechtlich schutzfähig sein, wenn bei ihrer Erarbeitung
gleichwohl ein genügend großer Spielraum für individuelle formgebende
kartographische Leistungen bestanden hat. Dem in einem solchen Fall
geringeren Grad der Eigentümlichkeit des Werkes entspricht ein engerer
Schutzumfang.
...
Der dargestellte Inhalt, insbesondere die verwendeten Vermessungsdaten
und die sonstigen in die Karte eingearbeiteten Informationen sind
allerdings urheberrechtlich frei; das Berufungsgericht hat es deshalb
auch zu Recht als unerheblich angesehen, dass der Beklagte aus dem
Kartenwerk des Klägers dort absichtlich gemachte Fehler übernommen hat."
Mit der "vorbekannten gestalterischen Konzeption" ist hier die
Zeichenvorschrift gemeint, die den Signaturenkatalog enthält und
mitunter auch als Legende oder Musterblatt bezeichnet wird.
siehe hierzu auch das BGH Urteil vom 23.06.2005 - I ZR 227/02 - Karten-Grundsubstanz http://www.jurpc.de/rechtspr/20050120.htm:
"Auch bei einer Bindung an vorgegebene Zeichenschlüssel und
Musterblätter kann dem Entwurfsbearbeiter oder Kartographen (etwa bei
der Generalisierung und Verdrängung) ein für die Erreichung des
Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle
kartographische Leistungen bleiben. Die Anforderungen an die
schöpferische Eigentümlichkeit sind insoweit bei kartographischen
Gestaltungen gering."
Karten als Datenbanken
EuGH-Entscheidung vom 29. Oktober 2015
Zu diesem Thema hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EuGH inzwischen eine Entscheidung gefällt:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=170741&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first∂=1
Danach können Landkarten als Datenbanken in Sinne der Richtlinie
96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996
über den rechtlichen Schutz von Datenbanken geschützt sein. In
Deutschland wurde die Richtlinie durch Übernahme des Datenbankrechts in
die Par 87aff des UrhG umgesetzt. Für unsere Landkarten folgt daraus, dass
- wenn sich der BGH mit der Antwort zufriedengibt - nunmehr auch
die Verwendung der Karten als Vorlage für die Herstellung von
daraus abgeleiteten Folgekarten erlaubnispflichtig ist. Dies gilt auch
dann, wenn die
schöpferische Leistung, die in der grafischen Gestaltung der
verwendeten Karten besteht, in den Folgekarten z.B. aufgrund der
Verwendung eines eigenen
Zeichenschlüssels und starker Generalisierung nicht mehr erkennbar ist.
Was ist schief gelaufen?
Wahrscheinlich wurde wieder einmal die falsche Frage gestellt, wie auch
in diesem Fall, der hier nur zum Vergleich erwähnt wird:
Vergleich
zum Thema "falsche Frage": Schulze GRUR 2009, 812 "Das Verfahren "Le
Corbusier-Möbel" zeigt, dass manche Frage, die dem EuGH zur Klärung
vorgelegt wird, nicht unbedingt mehr zur Klarheit, sondern zu weiterer
Unklarheit führen kann. Dann könnte man nachträglich sogar bedauern,
überhaupt vorgelegt oder nicht anders gefragt zu haben."
Delphi lässt grüßen. Im Verfahren über den Datenbankschutz für Landkarten ging es natürlich um etwas ganz anderes und am Ende bei der
Vorlage vor dem EuGH nur noch um die Frage, ob die Daten als
"unabhängige Elemente" im Sinne der Datenbankrichtlinie angesehen
werden können.
Die anderen Tatbestandsmerkmale "Sammlung von Elementen",
"systematische oder methodische Anordnung der Elemente",
"Einzelzugänglichkeit der Elemente" und "hoher Investitionsaufwand für
die Herstellung der Datenbank", die ebenfalls zwingende Voraussetzung
für den Schutz sind, wurden mit Ausnahme des bisher noch nicht überprüften Investitionsaufwands (s.u.) bereits in den Vorinstanzen und auch vom
BGH als erfüllt angesehen. Das war wahrscheinlich ein Fehler.
Würde es nur um die "Unabhängigkeit der Elemente" gehen, könnte auch ein Sack voller Kartoffeln eine Datenbank sein.
Der BGH selbst war anfangs nicht der Auffassung, dass topographische Karten Datenbanken im Sinne der Datenbankrichtlinie sein können, wie aus den Schlusssätzen seines Vorlagebeschlusses I ZR 138/13 vom 18. September 2014 an den EuGH hervorgeht. Dort heißt es: "Die einzelnen Elemente eines audiovisuellen, kinematographischen, literarischen oder musikalischen Werkes erhalten ihren Wert auch durch die Reihenfolge ihrer Anordnung. Werden sie aus dem Werk herausgelöst, wird ihr Wert beeinträchtigt. Diese Maßstäbe sind nach Ansicht des Senats auf eine
topographische Landkarte übertragbar, in der die Einzelinformationen in einer bestimmten Reihenfolge zueinander angeordnet und aufeinander bezogen sind. Werden sie aus diesem Gesamtgefüge gelöst, wird ihr Wert beeinträchtigt."
Er stellt aber dem EuGH leider nur die Frage, ob bei topographischen Karten die darin enthaltenen Elemente unabhängige Elemente im Sinne Datenbankrichtlinie sind. Der BGH setzte sprichwörtlich alles auf eine Karte - wohlwissend, dass bei Datenbanken auch die anderen in der Richtlinie aufgeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen.
Bei einer Landkarte hätte man durchaus auch die systematische oder
methodische Anordnung der Elemente in Frage stellen können. Eine
Landkarte präsentiert die Erscheinungsformen der Erdoberfläche nicht in
systematischer oder methodischer Anordnung, sondern so wie wir
sie in der Natur vorfinden. Dies aber stand bei der abschließenden
Entscheidung nicht mehr zur Debatte. Zitat
aus dem Vorlagebeschluss des BGH: "Die Anordnung der Daten der
dreidimensionalen Erdoberfläche auf der Karte orientiere sich am so
genannten deutschen Einheitsnetz. Diese Anordnung sei systematisch im
Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie, weil jeder Punkt der
Erdoberfläche einem Koordinatenpunkt eines zweidimensionalen
Gitternetzes zugeordnet sei." Wahrscheinlich hätte man besser
Kunstmaler um Rat gefragt, die bei der Kopie eines Gemäldes
ebenfalls ein Gitternetz als Hilfsmittel verwenden. Auch dadurch
entsteht keine systematische oder methodische Anordnung, sondern ein
originalgetreues Abbild der Vorlage.
Und auch durch die Strukturierung des Karteninhalts mit Hilfe einer
Legende wird die Karte nicht zur Datenbank sowie auch
ein Inhaltsverzeichnis und ein Sachregister aus einem Lehrbuch keine Datenbank
machen. Solche Hilfsmittel entstehen en passant ohne den
schutzbegründenden "hohen Investitionsaufwand".
Nicht ausreichend gewürdigt wurde im gesamten Ablauf des Vefahrens außerdem, dass ein
Datenbankhersteller, der den Inhalt seiner Datenbank in narrativer oder
bildlicher Form an Nutzer abgibt - also einer Form, die die
Tatbestandsmerkmale für den Datenbankschutz nicht erfüllt - in Kauf
nehmen muss, dass die Nutzer mit eigenem Aufwand daraus jetzt eigene
Datenbanken erstellen. In einem solchen Fall liegt m. E. keine
mittelbare Entnahme aus einer Datenbank vor. Die Auffassung, dass
solche aus der ursprünglichen Datenbank abgeleiteten Quellen auch dann
nicht frei verwendet werden dürfen, wenn sie selbst keine Datenbank
sind (vgl. Leistner GRUR 2014, 533), teile ich nicht. Andernfalls hätte
man sich den Streit über Frage, ob topographische Karten Datenbanken sein können, sparen
können.
Das hier angesprochene Problem wird vielleicht etwas deutlicher, wenn man sich einen -
durchaus üblichen - Fall vorstellt, in dem der Hersteller einer Karte
im Maßstab 1:25.000 für deren Herstellung eine einzige Quelle (z. B.
eine Karte im Maßstab 1:5.000) verwendet. Die Herstellung der Karte im
Maßstab 1:25.000 erfordert jetzt praktisch den gleichen Aufwand wie die Herstellung daraus abgeleiteter Folgekarten in kleineren Maßstäben (z.B. 1:50.000 oder 1:100.000) und es ist fraglich, ob in diesem Fall für die Beschaffung und Aufbereitung der Daten das Tatbestandsmerkmal einer "nach Art und Umfang wesentliche
Investition" im Sinne der Datenbankrichtline erfüllt ist.
Ob das Urteil praktische
Bedeutung erlangen wird, bleibt
abzuwarten. Auf 15 Jahre alte Karten zurückzugreifen und diese dann mit
Hilfe von Luftbildern selbst zu aktualisieren, bleibt nach wie vor
erlaubnisfrei.
Nach 15 Jahren ist der Datenbankschutz abgelaufen und Luftbilder sind
beim besten Willen keine Datenbanken. Auf diese Möglichkeit
weisen sogar Befürworter der neuen EuGH-Entscheidung ausdrücklich hin (vgl. Leistner 2016, 44).
Inzwischen hat der BGH den Ball vom EuGH wieder aufgegriffen und mit Urteil vom 10.03.2016 - I ZR 138/13 (TK 50 II) die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (" ... III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat bislang noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der in den vom Kläger herausgegebenen Karten enthaltenen Daten im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordern und ob der Beklagte im Sinne des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nach Art oder Umfang wesentliche Teile aus dem Kartenmaterial des Klägers übernommen und diese vervielfältigt hat.").
Vorgeschichte
Die Frage, ob eine Landkarte als Datenbank geschützt sein kann,wurde in
Fachkreisen lange diskutiert. Dass auch Datensammlungen in analoger,
insbesondere gedruckter Form den Datenbankschutz genießen können, ist
unumstritten. Ob er allerdings auch auf Landkarten zutrifft, blieb
offen. Es gab es aber hierzu Urteile der Landgerichte
München I (2), Stuttgart und Leipzig (1), die den Schutz bejahten (z.
B. LG München I vom 09.11.2005 - Az.: 21 O 7402/02: "Jedes
Kartenblatt der topografischen Karten des Klägers stellt für sich
genommen eine Datenbank i.S. von Par 87a I 1 UrhG dar."). Das OLG
München vertratt in einem Urteil vom 13.06.2013 - 29 U 4267/12 die
gegenteilige Ansicht, ließ jedoch die Revision beim BGH ausdrücklich
zu, die dann zur Vorlage vor dem EuGH führte.
Der Datenbankschutz der Par 87aff erstreckt sich nur auf größere
Datenmengen ("einen nach Art und Umfang wesentlichen Teil der
Datenbank" oder "wiederholte" Entnahmen). In der Entnahme einzelner
Maße und kleiner Datenmengen, wie sie z. B. für den eigenen Entwurf
einer Anfahrtskizze benötigt werden, kann kein Verstoß gegen das
Datenbankschutzrecht gesehen werden. Im Fall des LG München I wurden
Radwanderkarten nach den topographischen Karten des bayerischen
Landesvermessungsamts gezeichnet.
Mit dem Begriff "Art und Umfang eines wesentlichen Teil der Datenbank"
beschäftigt sich ein BGH-Urteil vom 1. 12. 2010 - I ZR 196/08 - Zweite
Zahnarztmeinung II. Danach erfüllt ein Anteil von zehn Prozent des
Datenvolumens der gesamten Datenbank nicht die Voraussetzungen, die an
einen nach dem Umfang wesentlichen Teil der Datenbank im Sinne des Par
87b Abs. 1 Satz 1 UrhG zu stellen ist. Zehn Prozent des Inhalts einer
Datenbank i. S. des Par 87a dürften demnach frei kopiert werden. Ob
sich dies allerdings pauschal auch auf Geoinformationssysteme anwenden
lässt, ist fraglich. Wer z. B. aus dem Amtlichen
Topographisch-Kartographischen Informationssystem ATKIS von NRW alle
Daten von Bonn kopiert (also weniger als zehn Prozent) sollte
vorsichtshalber doch besser um Erlaubnis fragen. In diesem Zusammenhang
ist auch zu beachten, dass das ca. 300 Kartenblätter der
Topographischen Karte 1 : 25 000 (TK25) das Land NRW abdecken. Ein
Blatt TK25 entspricht bezogen auf NRW nur 1/300 der ATKIS-Datenbank.
Näheres zum Datenbankschutz
Es gibt nach dem Urheberrechtsgesetz einfache Datenbanken und
Datenbankwerke. Die einfachen sind gem. Par 87a ff UrhG und die
Datenbankwerke gem. Par 4 Abs. 2 UrhG geschützt. Die Datenbankwerke
basieren bzgl. Auswahl und Anordnung der darin enthaltenen Elemente auf
persönlichen schöpferischen Leistungen und die einfachen auf
Leistungen, die nach Art oder Umfang wesentliche Investitionen
erfordern.
Par 4 Sammelwerke und Datenbankwerke
(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen,
die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche
geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den
einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder
verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt.
(2) Datenbankwerk im Sinne dieses Gesetzes ist ein Sammelwerk, dessen
Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe
elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind ...
Ein Beispiel für ein Datenbankwerk ist eine individuell ausgewählte Gedichttitelliste.
Bei Datenbanken fehlt das Tatbestandsmerkmal der persönlichen geistigen
Schöpfung. Es wird hier durch das Tatbestandmerkmal der wesentlichen
Investition ersetzt, die für die Beschaffung, Überprüfung oder
Darstellung der Elemente erforderlich ist.
Par 87a Datenbank
(1) Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken,
Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder
methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder
auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung
oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition
erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich
geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine
nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.
Ein Beispiel für eine Datenbank könnte ein umfangreiches, mit hohem Aufwand erstelltes Telefonbuch sein.
Datenbankwerke und Datenbanken im Sinne des UrhG können auch analoge Verzeichnisse sein.
Bezgl. der Unterschiede ist hervorzuheben, dass bei Datenbanken weder
die Struktur (d. h. die systematische oder methodische Anordnung) noch
die Auswahl der Elemente geschützt ist. Wer ohne Nutzung einer
vorhandenen Datenbank die gleiche noch einmal mit eigenem
Investitionsaufwand unter Zuhilfenahme anderer, ungeschützter Quellen
herstellen möchte, darf dies tun. Bei Datenbankwerken wäre dies
erlaubnispflichtig, da hier die geschützte schöpferische Leistung in
der Auswahl oder Anordnung der Elemente besteht. Bei Datenbanken
erlischt das Schutzrecht 15 Jahre nach Veröffentlichung bzw.
Herstellung. Bei Datenbankwerken dauert die Schutzfrist wie auch bei
anderen urheberrechtlich geschützten Werken bis 70 Jahre nach dem Tod
der Urheber.
Hier noch einmal die Tatbestandsmerkmale von geschütztem Datenbankwerk und geschützter Datenbank im direkten Vergleich:
Geschütztes Datenbankwerk (Par 4):
- Sammlung von Elementen
- Unabhängigkeit der Elemente
- systematisch oder methodische Anordnung der Elemente
- Einzelzugänglichkeit der Elemente
- Auswahl oder Anordnung der Elemente ist eine persönliche geistige Schöpfung
Geschützte Datenbank (Par 87a):
- Sammlung von Elementen
- Unabhängigkeit der Elemente
- systematisch oder methodisch Anordnung der Elemente
- Einzelzugänglichkeit der Elemente
- hoher Investitionsaufwand
Voraussetzung für den Schutz ist, dass die jeweils fünf aufgeführten
Tatbestandsmerkmale allesamt erfüllt sind. Wenn auch nur eines der
Merkmale nicht zutrifft, liegt kein Datenbankwerk in Sinne des Par 4
bzw. keine im Sinne des Par 87a geschützte Datenbank vor.
Hierzu ein Zitat aus "Sui-generis-Schutz für Datenbanken" von Viola Bensinger:
"Einem gewöhnlichen Lehrbuch mit detaillierten Inhalts- oder
Stichwortverzeichnis mangelt es also nicht an der Einzelzugänglichkeit;
es wird aber trotzdem keine Datenbank i. S. der Richtlinie darstellen,
weil i. d. R. die so durchaus einzeln zugänglichen Kapitel, Abschnitte
und Stichworte nicht unabhängig, sondern eingebunden in eine subjektiv
narrative Struktur dargestellt werden".
Auch ist z. B. eine Sammlung von Rohdaten (also ein ungeordneter
Datenhaufen) keine Datenbank, weil die Elemente hier weder systematisch
noch methodisch angeordnet sind, obwohl eine solche Sammlung durchaus
mit hohen Investitionen verbunden sein kann.
Die Urteile der Landgerichte München I, Stuttgart und Leipzig und jetzt
auch der EuGH gehen davon aus, dass topographische Karten Datenbanken
im Sinne der Par 87a ff UrhG sein können.
Dass es sich bei einer topographischen Karte um eine Sammlung von
Elementen handelt, ist unumstritten. Die Elemente sind die
Kartenobjekte, d.h. die Siedlungs- und Vegetationsflächen,
Verkehrslinien, Kultur- und Naturdenkmäler etc. Die Kritik setzt an bei
der Frage, ob auch die anderen Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen
einer Datenbank erfüllt sind. Nach den Auffassungen, die in den
Urteilen der Landgerichte München I, Stuttgart und Leipzig vertreten
werden, ist dies der Fall. Die methodische oder systematische Anordnung
der Elemente wird z. B. mit der Klassifizierung nach Objektarten und
der Darstellung in einem geographischen Netz begründet. Die Elemente
sind nach Auffassung der Richter einzeln zugänglich und können
voneinander unabhängig betrachtet werden. Nach Vogel in
[SCHRICKER/LOEWENHEIM] ist dagegen bei einer analogen Karte "die
Wiedergewinnbarkeit der einzelnen Elemente fraglich, weil die Karte sie
als simultan wahrnehmbares Bildwerk aus aufeinanderbezogenen
Einzelinformationen darstellt (mit Verweis auf Hertin GRUR 2005,
646/649)." Diese Auffassung teilt auch das OLG München und stützt sich
dabei auf Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz
von Datenbanken. Danach wird durch den Begriff Datenbank eine Sammlung
erfasst, die Werke, Daten oder andere Elemente umfasst, die sich
voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres Inhalts dadurch
beeinträchtigt wird, und die eine Methode oder ein System beliebiger
Art enthält, mit der bzw. dem sich jedes der Elemente der Sammlung
wieder auffinden lässt. In der Urteilsbegründung heißt es: "Der Wert
der in einer Karte zu einem bestimmten Punkt enthaltenen Information
wird somit durch eine isolierte, von weiteren Angaben in der Karte
getrennte Betrachtung erheblich beeinträchtigt. Die in einer Karte
enthaltenen Einzelinformationen ergeben wie die Wörter in einem Buch
und die Töne in einem Musikstück erst aus einem inhaltlichen Gewebe
heraus Sinn (vgl. Fromm/Nordemann, aaO., Rn. 9). Die Einzelangaben
werden in ihrem Geflecht und ihrer wechselseitigen Bezogenheit simultan
erfassbar dargestellt (Hertin, aaO., S. 650). Löst man die Angaben aus
diesem Geflecht, trennt man sie also voneinander, ist ihr informativer
Gehalt erheblich vermindert."
Dabei muss eingeräumt werden, dass jemand der wie auch ich eher zu der
Ansicht neigt, dass analoge Landkarten keine Datenbanken sind, eins
nicht außer Acht lassen darf. Analoge Karten können heute
vollautomatisch aus Geo-Informationssystemen (also Datenbanken)
abgeleitet werden und in naher Zukunft mit Hilfe von
Mustererkennungsprogrammen ebenfalls vollautomatisch in andere
Datenbanken überführt werden. Mit dieser Methode lässt sich
vollautomatisch der gesamte Inhalt eines Geo-Informationssystems vom
diesem auf ein anderes übertragen wie beim dateibasierten
Datenaustausch. Wenn jetzt analoge Karten keine Datenbanken sind, ist
der zweite Schritt, das Auslesen und Übertragen in die andere
Datenbank, erlaubt und somit ein angemessener Schutz der
Ursprungsdatenbank praktisch nicht mehr vorhanden. Dem wiederum lässt
sich entgegenhalten, dass ein Datenbankhersteller, der den Inhalt
seiner Datenbank in narrativer oder bildhafter Form, also in einer
Form, die die Tatbestandsmerkmale für den Datenbankschutz nicht
erfüllt, an Nutzer abgibt, in Kauf nehmen muss, dass diese mit eigenen
Aufwand daraus jetzt eigene Datenbanken erstellen. Das ist das
Schicksal eines jeden Pioniers. Der zweite hat es immer leichter.
Kritik des Datenbankschutzrechts
Das Datenbankschutzrecht krankt daran, dass die Tatbestandsmerkmale
"Sammlung von Elementen", "Unabhängigkeit der Elemente", "systematische
oder methodische Anordnung der Elemente" und "Einzelzugänglichkeit der
Elemente" einerseits sowie "hoher Investitionsaufwand" andererseits
nicht miteinander harmonieren. Da passt etwas nicht zusammen.
Auffällig ist, was dies anbetrifft, dass in den Urteilsbegründungen der
Landgerichte beim Merkmal der wesentlichen Investition auch der Aufwand
für die Beschaffung der Daten berücksichtigt wird. Wer aber bedenkt,
dass eine Sammlung von Rohdaten selbst ja noch gar keinen durch das
UrhG gedeckten Schutz genießt, muss zwangsläufig auf die Idee kommen,
dass bei der Bemessung der Investition nur der Aufwand für die
Systematisierung und methodische Aufbereitung der Daten gewertet werden
darf. Nach anderen neuen Entscheidungen des EuGH (z. B.
BHB-Pferdewetten vom 9.11.2004) darf in der Tat der Aufwand für die
Erzeugung der Elemente nicht berücksichtigt werden. Schwierig zu
beurteilen ist nach wie vor, inwieweit dies auch für den damit
verbundenen Aufwand der Beschaffung gilt. Nach Vogel in
[SCHRICKER/LOEWENHEIM] "bilden Datenhaufen mitunter die Vorstufe zu
einer in Aufbau begriffenen Datenbank, so dass die für ihre
Zusammenstellung aufgewendeten Mittel zu den Investitionen in eine
Datenbank zu zählen sind." Man sieht hier, wie wichtig Ordnung sein
kann. Wenn ein mit hohem Aufwand beschaffter Datenhaufen mit einfachen
Mitteln in eine strukturierte Datenbank umgewandelt werden kann, sollte
nicht zögern, dies zu tun ;-). Mehr kann man kaum dazu sagen. Denn
Vogels Hinweis, dass Datenhaufen mitunter die Vorstufe zu einer in
Aufbau begriffenen Datenbank bilden, offenbart letztlich nur die
Schwächen des Datenbankschutzrechts.
Exkurs
Wie schwer es ist, das Datenbankschutzrecht richtig einzuschätzen,
zeigt, dass folgende wichtige Frage erst 2007 vom BGH an den EuGH
herangetragen wurde:
"Kann eine Übernahme von Daten aus einer (gemäß Art. 7 Abs. 1 der
Datenbankrichtlinie) geschützten Datenbank in eine andere Datenbank
auch dann eine Entnahme im Sinne des Art. 7 Abs. 2 lit. a der
Datenbankrichtlinie sein, wenn sie aufgrund von Abfragen der Datenbank
nach einer Abwägung im Einzelnen vorgenommen wird, oder setzt eine
Entnahme im Sinne dieser Vorschrift einen Vorgang des (physischen)
Kopierens eines Datenbestandes voraus?"
aus BGH, Beschluss vom 24. 5. 2007 - I ZR 130/ 04 - Gedichttitelliste II; OLG Karlsruhe (Lexetius.com/2007,1372)
http://lexetius.com/2007,1372
Für den schnellen Überblick siehe die Abs. 28, 33, und 34
Inzwischen hat der EuGH die Frage beantwortet:
"Der Begriff der "Entnahme", die der Hersteller einer geschützten
Datenbank untersagen kann, ist dahin zu verstehen, dass er jede
unerlaubte Aneignung der Gesamtheit oder eines Teils des Inhalts einer
Datenbank erfasst. Auf die eingesetzten Mittel und Formen kommt es
nicht an."
http://curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp08/aff/cp080067de.pdf
Dies überrascht nicht. Denn wenn die Entnahme von Daten im Sinne der
Datenbankrichtlinie einen Vorgang des physischen Kopierens
voraussetzten würde, müsste ja das Abschreiben der Datenbankinhalte
erlaubt sein. Hierzu die Klarstellung in Absatz 37 der
EuGH-Entscheidung:
"... Wie die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg geltend gemacht hat,
erfüllt das Kopieren des Inhalts einer solchen Datenbank auf einen
anderen Datenträger selbst in Form des Abschreibens den Tatbestand der
Entnahme ebenso wie ein Datei-Download oder eine Fotokopie."
Ist ATKIS ein Datenbankwerk?
Während sich in der Frage, ob ein einzelnes Blatt einer topographischen
Karte eine Datenbank im Sinne des Par 87a UrhG sein kann, die Geister
wohl noch lange scheiden werden, ist die Datenbankfähigkeit von
Geoinformationssystemen wie dem Amtlichen
Topographisch-Kartographischen Informationssystem ATKIS unumstritten.
Nach Vogel in [SCHRICKER/LOEWENHEIM] erfüllen die nach Objektarten und
Attributen gegliederten Objektartenkataloge - wohlgemerkt bereits die
bloßen Kataloge - derartiger Informationssysteme i. d. R. die
Voraussetzungen einer Datenbank im Sinne des Par 87a.
Es bleibt die Frage, ob ein solcher Objektartenkatalog gleichzeitig
auch die Voraussetzungen für den Schutz als Datenbankwerk im Sinne des
Par 4 erfüllen kann.
Hierzu ist anzumerken, dass der BGH das Merkmal der persönlichen
geistigen Schöpfung bei der Auswahl und Anordnung der Elemente in einem
Datenbankwerk bereits bei minimalen Leistungen als gegeben ansieht. Die
seit Jahren bestehende Möglichkeit des einfachen Datenbankschutzes nach
Par 87a hat den BGH nicht dazu veranlasst, für den Schutz als
Datenbankwerk nach Par 4 die Messlatte höher zu hängen.
Im o. a. BGH-Urteil "Gedichttitelliste II" reichte es für den Schutz
einer Sammlung (hier: einer Gedichttitelliste) als Datenbankwerk aus,
dass die Sammlung in ihrer Struktur, die durch Auswahl oder Anordnung
des Inhalts der Datenbank geschaffen worden war, einen individuellen
Charakter hatte. Die individuelle persönliche Leistung bestand hier im
Wesentlichen in der einfachen Handlungsanweisung: "Wähle aus 14
Anthologien die Gedichte aus der Zeit zwischen 1720 und 1933 aus, die
in mindestens drei dieser Anthologien aufgeführt oder in der bestimmten
bibliographischen Sammlung mindestens dreimal erwähnt sind (vgl. Abs. 7
im o.a. Urteil)."
Wenn nach Auffassung des BGH, die Aufstellung einer solchen
Gedichttitelliste eine schöpferische Leistung sein kann, müsste dies
für die Aufstellung eines Objektartenkatalogs erst recht gelten, zumal
hierbei - anders als bei der starren Handlungsanweisung für die
Gedichttitelliste - für jede Objektart einzeln zu entscheiden ist, ob
und mit welchen Attributen sie in den Katalog aufzunehmen ist.
An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich betont, dass in der
Argumentationskette dieses Abschnitts die Werkeigenschaft eines
Informationssystems mit den schöpferischen Tätigkeiten begründet wird,
die bei der Erstellung des Objektartenkatalogs anfallen, und nicht mit
der Erfassung der in System zu speichernden Daten, bei der wegen des
vorliegenden Katalogs kein ausreichender Spielraum mehr für persönliche
geistige Schöpfungen im Sinne des UrhG besteht. Der tritt bei einem
Geoinformationssystem erst wieder hinzu, wenn z. B durch interaktive
Generalisierung Karten aus den Daten abgeleitet werden.
Amtliche Karten
Nach Par 5 UrhG genießen amtliche Werke keinen urheberrechtlichen
Schutz. Der Par unterscheidet zwischen Gesetzen, Verordnungen, Erlassen
etc. (Abs. 1) und anderen amtlichen Werken, die im amtlichen Interesse
zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind (Abs. 2).
Par 5 Amtliche Werke
(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie
Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen
genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
(2) Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen
Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit
der Einschränkung, daß die Bestimmungen über Änderungsverbot und
Quellenangabe in Par 62 Abs. 1 bis 3 und Par 63 Abs. 1 und 2
entsprechend anzuwenden sind.
(3) ...
Nach Katzenberger in [SCHRICKER/LOEWENHEIM] sind Karten mit
Normqualität wie Bebauungspläne und Katasterkarten nach Par 5 Abs. 1 zu
beurteilen (siehe hierzu aber auch die Ausführungen über die
landesrechtlichen Verwertungsverbote im nächsten Abschnitt).
Zu der in Internet-Diskussionen häufig gestellten Frage, ob die
amtlichen topographischen Karten zu den amtlichen Werken im Sinne des
Par 5 Abs. 2 UrhG zählen, ist der genaue Wortlaut des Abs. 2 zu
betrachten. Es geht dort nicht um amtliche Werke im Allgemeinen,
sondern um amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen
Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind.
Hierzu ein Auszug aus einer früheren Begründung zum Regierungsentwurf des UrhG:
"... für die besonders bedeutsame Frage des Urheberrechtsschutzes
amtlicher Kartenwerke ergibt sich hieraus, dass diese in der Regel
Urheberrechtsschutz genießen, weil sie nicht im amtlichen Interesse von
der Behörde veröffentlicht werden. Ein amtliches Interesse an der
Veröffentlichung eines Kartenwerks kann nur in Ausnahmefällen
angenommen werden, z. B. wenn eine Behörde eine Karte von der
Meeresküste veröffentlicht, in der die für Badende gefährlichen Stellen
besonders gekennzeichnet sind."
(Bundestags-Drucksache IV/270, 4. Wahlperiode, S. 39)
Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Nicht nur für Nichtschwimmer ;-).
Wenn eine geschützte topographische Karte in einer solchen amtlichen
Bekanntmachung verwendet wird, heißt das noch lange nicht, dass die
geschützte Karte dadurch ihren Schutz verliert. Das ist wie bei Zitaten
privater Werke in amtlichen Bekanntmachungen. Die zitierten privaten
Werke verlieren durch die amtlichen Bekanntmachungen nicht ihren
urheberrechtlichen Schutz (vgl. Katzenberger in [SCHRICKER/LOEWENHEIM]).
Siehe auch das BGH-Urteil vom 2.7.1987 - I ZR 232/85 - Topographische Landeskarten
http://www.jura.uni-sb.de/clear/de/web-dok/19990008.html:
Leitsatz c): "Bei topographischen Landeskarten handelt es sich
regelmäßig nicht um amtliche Werke im Sinne des Par 5 Abs. 2 UrhG."
Die Frage, ob Par 5 auch auf Datenbanken im Sinne des Par 87a
anzuwenden ist, hatte der BGH dem EuGH zur Vorabentscheidung im Jahr
2007 vorgelegt. Sie wurde aber im darauf folgenden Jahr wieder
zurückgezogen, so dass diesbzgl. nach wie vor Unklarheit besteht.
Landesrechtliche Verwertungsverbote
Neben dem Urheberrechtsgesetz gibt es in den Vermessungs- und
Katastergesetzen der Länder besondere Bestimmungen, die die Ergebnisse
der Landesvermessung unter Schutz stellen. Zur Frage, ob dies mit dem
Grundgesetz - Urheberrecht ist Bundesangelegenheit - vereinbar ist,
siehe Katzenberger in [SCHRICKER/LOEWENHEIM]:
"Sehen landesrechtliche Bestimmungen für amtliche Werke, die durch Par
5 vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind, aus rein fiskalischen
Gründen ein Verwertungsverbot vor, so sind sie nach Art, 31, 71, 73 Nr.
9 GG nichtig. Dies trifft aber zB auf die ... Katasterkarten nicht zu,
weil die ... für solche Karten vorgesehenen Verwertungsverbote bzw.
Genehmigungsvorbehalte nicht nur einem fiskalischen Interesse, sondern
auch einem öffentlich-rechtlichen Anliegen dienen, ... die
Zuverlässigkeit dieser ... Karten zu gewährleisten ... Ob auch
topographische Karten der Landesvermessungsämter in gleicher Weise zu
beurteilen sind, ist von BGH GRUR 1988, 33/34 - Topographische Karten,
in Frage gestellt, letztlich aber offen gelassen worden. Aufgrund des
Urheberschutzes solcher Karten ist die Frage von untergeordneter
Bedeutung."
Karten als Zitate
Natürlich können auch Kartenausschnitte als Zitate abgedruckt werden,
z. B. in einem Lehrbuch der Kartographie, um Darstellungen in
verschiedenen Maßstäben zu vergleichen.
Die Verwendung eines Kartenausschnitts als Anfahrtsskizze auf einer
Homepage kann dagegen nicht als Zitat betrachtet werden. Hier wird die
Karte ja als Orientierungshilfe benutzt, d.h. für ihren ureigenen
Verwendungszweck. Ein Kartenausschnitt kann aber im Extremfall so klein
sein, dass sein Inhalt keine schöpferische Leistung im Sinne des UrhG
mehr darstellt. Aber darauf würde ich mich nicht verlassen. Streitfälle
können teuer werden.
Siehe z. B. Diez, Dietrich: Anwendung des Datenbankschutzrechtes auf
die amtlichen topographischen Kartenwerke, Kartographische Nachrichten
6/2004":
"Die Abgrenzung zwischen einer freien Benutzung und einer Bearbeitung
bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Außerdem liegt eine
besondere Hürde darin, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger
Rechtsprechung die Position vertritt, Urheberrechtsverletzungen im
kartographischen Bereich könnten nur mit Hilfe eines gerichtlich
bestellten Sachverständigen nachgewiesen werden."
Für Karten und technische Zeichnungen gibt es keinen Leistungsschutz
wie bei Lichtbildern, der auch die nicht "schöpferischen" Erzeugnisse
unter Schutz stellt.
Computerkarten und Schutz des Zeichenschlüssels
Mit zunehmender Automatisierung kartographischer Produktionsprozesse
tritt das Merkmal der persönlichen geistigen Schöpfung mehr und mehr in
den Hintergrund.
Einfach gestaltete Karten werden zum Teil schon heute vollautomatisch
aus geographischen Informationssystemen abgeleitet. Es bleibt
abzuwarten, wie sich jetzt ein urheberrechtlicher oder vergleichbarer
Schutz für diese Computerkarten noch begründen lässt. Neben dem bereits
angesprochenen Schutz für Datenbanken und Datenbankwerke wäre zu
prüfen, ob sich die in einem Computerprogramm enthaltene persönliche
schöpferische Leistung auf den Output übertragen kann. Dies ist wohl
eher nicht der Fall. Die vollautomatische Übersetzung eines
Goethe-Textes in eine andere Sprache durch ein Computerprogramm ist z.
B. keine persönliche geistige Leistung im Sinne des UrhG. Jedoch könnte
bei Karten die Frage nach dem Schutz der verwendeten Signaturen und
Symbole eine Rolle spielen. Bildzeichen und Piktogramme, insbesondere
umfangreiche Serien derartiger Symbole können durchaus
urheberrechtlichen Schutz genießen. Der Schutz stößt allerdings an
Grenzen, wenn bei herkömmlicher Form- und Farbwahl kein Spielraum mehr
für individuelle Gestaltungen besteht.
Lt. Loewenheim in [SCHRICKER/LOEWENHEIM] sind "beispielweise
Bildzeichen, die in einem Stadtplan auf bekannte Bauwerke hinweisen,
als schutzfähig angesehen worden". Für allgemein bekannte Symbole wie
"Richtungspfeile, ein Anker als Symbol für einen Hafen, ein Flugzeug
als Symbol für einen Flugplatz und dergl." wird dort mit Verweis auf
[DREIER/SCHULZE] die Schutzfähigkeit verneint.
Inwieweit Urheberschutz aus dem Gesamtwerk eines aufeinander
abgestimmten Signaturensystems abgeleitet werden kann, das einer Karte
- mehr noch als jede Generalisierung - ihr individuelles
Erscheinungsbild verleiht, war lange Zeit kein Gegenstand rechtlicher
Auseinandersetzungen. Inzwischen zeigt aber ein neuer Hinweisbeschluss
des BGH, dass der Urheberschutz auch ohne den Gestaltungsspielraum
eines Kartografen allein aus dem Zeichenschlüssel abgeleitet werden
kann. In der Begründung hat sich das hohe Gericht dabei aber m.E.
ziemlich verheddert:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=67830&pos=1&anz=536
Der Vorstand der Klägerin hat allein die das Kartenbild prägenden
Merkmale und Gestaltungselemente erdacht und im Zeichenschlüssel
festgelegt aber auf den Werkcharakter des der Erstellung des
Stadtplanausschnitts zugrundeliegenden Zeichenschlüssels kommt es nicht
an.
Zitate aus dem Beschluss:
Aus Rn 2: "Die Mitarbeiter der D. Ltd. stellen die Karten nach genauen
Vorgaben der Klägerin her, die in einem Zeichenschlüssel der Klägerin
festgelegt sind. Dabei haben die Mitarbeiter der D. Ltd. keinen
Spielraum bei der Umsetzung der Vorgaben."
Aus Rn 7: "Der vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage der
Urheberschaft der Kartenwerke desjenigen, der Urheber des den
Kartenwerken zugrunde liegenden Zeichenschlüssels ist kommt keine
grundsätzliche Bedeutung zu."
Aus Rn 10: "Das Berufungsgericht hat von der Revision nicht beanstandet
zudem festgestellt, dass der Vorstand der Klägerin, Dr. B., allein die
das Kartenbild prägenden Merkmale und Gestaltungselemente erdacht und
im Zeichenschlüssel festgelegt hat."
Aus Rn 14: "Das Berufungsgericht ist mithin zutreffend davon
ausgegangen, dass es im Streitfall auf den Werkcharakter des vom
Beklagten vervielfältigten Stadtplanausschnitts der Klägerin und nicht
auf den Werkcharakter des der Erstellung des Stadtplanausschnitts
zugrundeliegenden Zeichenschlüssels ankommt."
Worin besteht denn jetzt die den Urheberschutz begründende schöpferische Leistung?
Literatur
[SCHRICKER/LOEWENHEIM] Loewenheim, Ulrich:
Urheberrecht, Kommentar
München 2010
[DREIER/SCHULZE]
Dreier, Thomas und Gernot Schulze
Urheberrechtsgesetz, Kommentar
C.H. BECK
Johannes Röhnelt
Letzte Änderung : 19.11.2016
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